3. Bürgerversammlung der OTTENSER GESTALTEN – Unsichtbares Gift

21. Juni 2018
Infoveranstaltung zur Schadstoffbelastung der Luft und die Folgen für unsere Gesundheit
Aula der Schule Rothestraße

Auto- und Schiffsabgase sind unsichtbares Gift in unserer Atemluft – besonders Kinder und ältere Menschen sind gefährdet. Auf unserer Veranstaltung berichteten Experten verständlich, welche Stoffe das insbesondere in Hamburg sind und wie sie sich auf die Organe auswirken.

Als Ort hatten wir eine Schule gewählt, um viele Eltern zu erreichen. Schließlich sind besonders Kinder in ihrer Entwicklung von den Umweltgiften gefährdet und vielen Eltern ist nicht bewusst, was es heißt, ein Kind in einer verkehrsreichen Großstadt aufwachsen zu lassen.

Auf der von einem Kamerateam des NDR begleiteten Veranstaltung referierten auf unsere Einladung:

  • Dr. med. Marcial Velasco Garrido, Facharzt für Arbeitsmedizin in Hamburg
  • Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg
  • Malte Siegert, Leiter Umwelt und Verkehr NABU Hamburg

Anschließend stellten wir den Bau von Feinstaubsensoren vor. Nach den Vorträgen war ausreichend Zeit für Rückfragen und Diskussionen mit den Besuchern.

Der Beitrag von Dr. med. Marcial Velasco Garrido

Er berichtete leicht verständlich über die gesundheitlichen Folgen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO legte 2016 eine Studie vor, die alle weltweit vorliegenden Infos auswertet. Es bedarf keiner Forschung mehr darüber, ob die Luftbelastung zu Gesundheitsrisiken führt – die Daten gibt es. Für die Auswirkung der Feinstaubbelastung in Deutschland sind es laut WHO 13.000 bis 34.000 Tote pro Jahr.

Die wesentlichen Ursachen: Herzerkrankungen, chronische Bronchitis (COPD), Lungenkrebs (10 % aller Toten durch Lungenkrebs durch Luftbelastung), Schlaganfall (20 % aller Todesfälle durch Schlaganfall durch Luftbelastung). Viele andere Stoffe sind ebenfalls krebserregend z. B. Cadmium, Arsen, Benzol, Benzo(a)pyren – verdächtig sind auch Blei und Nickel.

Die WHO fordert aus Risikogründen einen Grenzwert von 20 μg/m³, in Deutschland hingegen liegt er bei 40 μg/m³ und nicht einmal dieser wird eingehalten. Ähnlich bei Schwefeldioxid: in Deutschland liegt Grenzwert bei 125 μg/m³, aber die WHO empfiehlt eindeutig 20 μg/m³.

Kinder sind eine besondere Risikogruppe:

  • geringeres Geburtsgewicht bei Luftbelastung
  • geringere Lungenentwicklung
  • mehr Asthma

Für Ultrafeinstaub gibt es noch keinen Kennwert, aber der P25-Wert ist ein guter Indikator.

Der Beitrag von Manfred Braasch vom BUND

Er eröffnete mit einem Überblick (vor allem NOx-Belastung): vom überarbeiteten Luftreinhalteplan, der in seiner Prognose praktisch keine Vorgaben macht und im Wesentlichen auf Flottenerneuerung (die ja sowieso eintritt) setzt. Weitere nicht sachbezogene bzw. falsche Annahmen werden im Plan getroffen. Gemäß Prognose sollen erst 2025 die Grenzwerte eingehalten werden – obwohl das entsprechende Gesetz von 2010 ist. Die EU mischt sich ein, aber sehr langsam. Die Prognose sagt eine Verdopplung der absoluten Luftbelastung (Anteil Industrie) bis 2020 durch die Industrie voraus – und zwar durch den Vollbetrieb von Moorburg.

Eine interessante Datenlage zu Altona und Ottensen wurde präsentiert – u. a. Grenzwertüberschreitung in der Holländischen Reihe, in der Großen Brunnenstraße, Bahrenfelder Chaussee und in weiteren Straßen.

Nach der Euro-6-Norm für Diesel sind 80 mg/km erlaubt, real gemessen werden 507 mg/km. Auch für die Schadstoffklassen 4 und 5 gilt ähnliches – die Schadstoffklassen 4 und 5 machen ca. 60 % bei uns aus, aber es fand keine Korrektur dahingehend im Luftreinhalteplan statt. Die TU Berlin hatte in Berlin den Luftzustand mit Passiv-Sammlern flächendeckend gemessen. Es stellte sich heraus, dass der Zustand deutlich schlechter war, als es das offizielle Messnetz feststellt. Eine Forderung des BUND (in heftiger Auseinandersetzung mit der Stadt Hamburg) ist deshalb: mehr Messstationen sollen her – die Stadt aber sagt: sie erfülle alle Anforderungen (Anzahl Messstationen pro Einwohner und es ist kein Geld da).

Weitere Forderungen: Tempo 30, Fahrverbote, Blaue Plakette (Erweiterung der Umweltzonen – über 50 Städte haben diese in Deutschland eingeführt, ohne dass Geschäfte schließen mussten).

Der Beitrag von Malte Siegert vom NABU

Er berichtete über die Belastung durch den Hafen – Seeschifffahrt verursacht vor allem Feinstaubbelastung: 750.000.000 Autos stoßen so viel aus wie die 7 größten Containerschiffe zusammen. Am Hamburger Elbhang sind vor allem SOx, NOx, Feinstaub (PM) und Ruß (BC) gehäuft. Insgesamt sind es 50.000 Todesfälle in europäischen Hafenstädten.

Für das Klima ist der Ausstoß durch Schifffahrt besonders verheerend: der schwarze Ruß legt sich auf die polaren Eisvorkommen ab, durch Absorption erwärmt sich die dunkle Eisoberfläche schneller und schmilzt ab. So entsteht ein Teufelskreis, das abschmelzende Eis ermöglicht vermehrt Schiffspassagen durch die Polarregionen, die sich noch schneller erwärmen und den Meeresspiegel ansteigen lassen.

Gesundheitlich besonders im Fokus: die ultrafeinen Partikel gelangen durch die Lunge direkt ins Blut, sie sind extrem gefährlich. Es gibt keine Kennziffer dafür, keine Grenzwerte, der Ausstoß der ultrafeinen Partikel ist nicht geregelt. Kreuzfahrtschiffe haben daran zwar nur 3 % Anteil, verursachen aber lokal verheerende Belastung. In der Max-Brauer-Allee entstehen 22 % der Feinstaubbelastung durch den Hafen. Der Feinstaub wird durch Wind bis nach Schwerin verfrachtet, Stadtteile, die in Windrichtung liegen, sind deutlich belastet. Die Bebauung in der Hafencity und später Grasbrook kommt teils bewusster Vergiftung gleich.

Der Ausstoß ließe sich durch Einsatz von Landstrom reduzieren. Alle Schiffe ab Baujahr 2008 sind dafür vorgerüstet, Hamburg baute am Cruisecenter für 11 Mio. Euro die Vorrichtung für Landstromversorgung, aber die Nutzung ist nicht verpflichtend.

Der Beitrag von Johannes von den OTTENSER GESTALTEN

Bau deinen eigenen Sensor und werde Teil des Netzwerks!
Feinstaubsensoren gibt es reichlich: von der eigenen Nase über das Tuch zum Wischen der Fensterbank bis hin zu den offiziellen Messstationen des Luftmessnetzes Hamburg. Letztere sind doch nicht so reichlich. Wer es wirklich wissen will, misst also selbst.

Nach dem Vorbild des OK Lab Stuttgart stellen wir einen leicht umzusetzenden Bausatz vor. Standardteile aus dem Bau- und Elektronikmarkt ergeben zusammen mit dem eigentlichen Sensor und dem Controller für die Software ein voll funktionsfähiges Gerät, das die Daten online sendet und für alle Interessierten zum Abruf bereithält. Einen Workshop zum Eigenbau werden wir im Herbst 2018 anbieten.

 

Danke an die Leitung der Schule Rothestraße für die Überlassung der Aula.